Alkohol und Tabak: kumuliertes Gesundheitsrisiko

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Alkohol und Tabak passen nicht gut zueinander.

Beide Substanzen wirken auf dieselbe Hirngegend ein, die bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Sucht eine Rolle spielt (Area tegmentalis ventralis und Nucleus accumbens).

Dort setzen Alkohol und Tabak den äusserst wichtigen Neurotransmitter Dopamin frei, führen zu einem Lustgewinn und schaffen so ein Ungleichgewicht. Das Problem ist, dass Lust auf mehr geweckt wird, damit die unangenehmen Entzugserscheinungen nicht eintreten.

Die Rede ist vom Belohnungssystem. Mit dem Stillen der Mangelerscheinungen wird jetzt nur noch der Normalzustand angestrebt und nicht mehr ein zusätzliches Wohlbefinden.

Mutual Craving und Kreuztoleranz

Wenn Alkohol und Tabak zusammen konsumiert werden, spielen zwei Mechanismen eine zentrale Rolle: 1

  1. Mutual Craving: Wer trinkt, hat Lust zum Rauchen, und wer raucht, hat Lust zu Trinken.
  2. Kreuztoleranz: Regelmässiges Trinken steigert die Alkoholtoleranz. Deshalb muss immer mehr getrunken werden, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Zugleich wird die Tabakabhängigkeit befeuert. 2

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Welche Entzugserscheinungen treten bei Alkohol auf?

Wenn sich der Körper an einen bestimmten Alkoholspiegel gewöhnt hat, reagiert er schon nach wenigen alkoholfreien Stunden mit Entzugserscheinungen:

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Ich teste meine Entzugserscheinungen

Während dem Alkoholentzug mit Rauchen aufhören

Über die Hälfte der Raucher:innen, die wegen Alkoholabhängigkeit in Behandlung sind, versterben an tabakbedingten Krankheiten. Der Rauchstopp sollte genauso wie der Alkoholstopp eine Priorität sein.

Je nach Motivation und psychischer Verfassung kann der Tabakentzug entweder zusammen mit dem Alkoholentzug oder gleich danach erfolgen.

Ein Rauchstopp während einer Behandlung für Alkohol- oder sonstigen Substanzmissbrauch führt nicht zu mehr Rückfällen. Im Gegenteil: Er ist sogar mit einer grösseren langfristigen Abstinenzwahrscheinlichkeit für Alkohol und andere Substanzen assoziiert.

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Alkoholsucht macht den Rauchstopp komplizierter. Alkoholiker:innen haben kleinere Tabak-Abstinenzraten: Reizbarkeit, Angstzustände, Konzentrationsprobleme und Missbehagen treten oft äusserst heftig auf. 3

Effiziente Behandlungen

Wer mit Rauchen aufhört, kann verschiedene Symptome im Zusammenhang mit dem Nikotinentzug (Entzugserscheinungen) verspüren; umso mehr wenn Kreuztoleranz und Mutual Craving vorliegen. Diese Symptome lassen sich medikamentös lindern und steigern die Erfolgschancen für den Rauchstopp deutlich.
Nikotinersatzmittel:
Sie liegen in Form von Patches, Kaugummi, Microtabs, Inhalator und Mundspray vor. Die Behandlung dauert in der Regel 2 bis 3 Monate. Diese Mittel sind in der Schweiz rezeptfrei erhältlich, nicht aber krankenkassenpflichtig.
Bupropion und Vareniclin:
Bupropion (Zyban®) und Vareniclin (Champix®) sind Medikamente, die beim Rauchstopp helfen. Sie sollten während 2 bis 3 Monaten unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden. Nebenwirkungen und Kontraindikationen müssen mit dem Arzt, der Ärztin besprochen werden. Generell ist Bupropion bei Alkoholentzug wegen einem erhöhten Epilepsie-Risiko kontraindiziert.
In der Schweiz werden diese Medikamente unter gewissen Umständen von der Krankenkasse übernommen.

Kumuliertes Risiko

Mund-, Hals- und Darmkrebs

Bestimmte Krebsarten, insbesondere Mund-, Hals- und Darmkrebs, treten bei Menschen mit exzessivem Alkoholkonsum und bei Rauchenden häufiger auf. Alkohol und Tabak sind für 73 % der Krebserkrankungen in den oberen Atem- und Verdauungswegen verantwortlich (Mund-, Rachen-, Kehlkopf- und Speiseröhrenkrebs). 4

Bei fortgeschrittenem tabak- bzw. alkoholbedingtem Mundkrebs wurden zahlreiche epigenetische Veränderungen festgestellt. Diese Entartungen führen zu dysplastischen Läsionen, die am Anfang einer Hyperplasie, der Vorstufe von Krebs, stehen. Diese Schädigungen sind irreversibel und bleiben auch Jahre nach dem Aufhören unverändert bestehen, weshalb die Prävention so wichtig ist.

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Bei Menschen, die zugleich rauchen und trinken, ist das Risiko von Krebs an den oberen Atem- und Verdauungswegen erheblich. Alleine der Tabakkonsum steigert das Risiko im Vergleich zu Menschen, die weder Alkohol noch Tabak zu sich nehmen, um das 3- bis 4-fache. Bei den nichtrauchenden Alkoholkonsumierenden (≥ 2 alkoholische Getränke pro Tag) ist das Risiko 1,3 Mal (nicht signifikant), bei den Alkohol- und Tabakkonsumierenden 10 Mal grösser. 5

Herz-Kreislauf-Erkrankungen:
Der Zigarettenkonsum stellt ungeachtet der täglich gerauchten Mengen einen vielfach nachgewiesenen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar. Der mässige Alkoholkonsum scheint dieses Risiko dank der enthaltenen Polyphenole zu mindern. Doch reicht diese mögliche Schutzwirkung des Alkohols nicht aus, um die Herz-Kreislauf-Risiken des Tabakkonsums zu kompensieren.

Zudem steigert der Konsum von Alkohol in grossen Mengen das Risiko von Herzkrankheiten. 6

Eine häufige Kombination

Raucher:innen haben ein grösseres Risiko, einen problematischen Alkoholkonsum zu entwickeln, als Nicht-Rauchende.

Neben sozialen Faktoren und dem Umfeld sollen auch genetische Faktoren zu einer gleichzeitigen Alkohol- und Tabaksucht beitragen. 7

Zwischen Alkohol- und Tabakkonsum liegt eine Korrelation vor. Studien haben gezeigt, dass die Tabakprävalenz unter Alkoholsüchtigen zwischen 83 und 100 % liegt! 8, 9 Diese Assoziierung ist dosisabhängig: Wer mehr raucht, trinkt mehr; wer mehr trinkt, raucht mehr.

In der Schweiz sind 29 % der 15- bis 29-Jährigen regelmässige Rauchende, wenn sie einen riskanten Alkoholkonsum aufweisen. Dieser Anteil sinkt ohne riskanten Alkoholkonsum auf 18 %. Bei den 30- bis 64-Jährigen sind 31 % regelmässige Rauchende, wenn sie einen riskanten Alkoholkonsum aufweisen. Auch hier sinkt der Anteil ohne riskanten Alkoholkonsum auf 18 %. 10

Die Alkoholabhängigen weisen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung einen überdurchschnittlichen Tabakkonsum und einen gesteigerten Abhängigkeitsgrad auf. Zudem führt die Kombination von Alkohol und Tabak zu einer toxischen Synergie, die für eine erhöhte Mortalität der Alkoholabhängigen verantwortlich ist.

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Die genetischen Faktoren

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass gemeinsame genetische Faktoren bei vulnerablen Risikopersonen sowohl zu Alkohol- als auch zu Tabaksucht führen können. 9

Sowohl die Alkohol- als auch die Tabakabhängigkeit treten innerhalb von Familien auf. Eineiige Zwillinge entwickeln beispielsweise doppelt so häufig wie zweieiige Zwillinge eine Tabak- und Alkoholabhängigkeit, wenn der andere Zwilling ebenfalls alkoholabhängig ist. In den USA hat eine gemeinschaftliche Studie über die Genetik des Alkoholismus (Collaborative Study of the Genetics of Alcoholism) Gene und Genbereiche identifiziert, die sowohl an alkoholbedingten Störungen als auch an der Tabakabhängigkeit beteiligt sein könnten. 11

Die Krebsmechanismen

Tabak und Alkohol sind gleichermassen Risikofaktoren für Krebs. Im Zigarettenrauch sind zahlreiche krebserregende Stoffe enthalten. Die chronische Alkoholexposition führt zu einer Rückbildung der Schleimhäute in Mund und Darm sowie einer kompensatorischen Zellvermehrung. 12 Zudem wird Alkohol aus alkoholhaltigen Getränken zu Acetaldehyd verstoffwechselt, das als krebserregender Stoff gilt. Diese zwei Risikofaktoren entfalten bei einer Kombination Synergien, die sich biologisch erklären lassen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Acetaldehyd-Erzeugung bei einer Assoziation von Alkohol und Tabak zunimmt, was diesen Synergieeffekt teilweise erklären würde. 13 Studien legen nahe, dass Ethanol die Schleimhäute für krebserregende Stoffe wie Tabakrauch durchlässiger macht. 14 Versuche an Tiermodellen haben gezeigt, dass Ethanol alleine oder zusammen mit Nikotin die Mundschleimhäute für die im Tabak enthaltenen Karzinogene N-Nitrosonornicotine durchlässiger macht. 15, 16 Zudem intensiviert der Alkoholkonsum den Tabakrauch, weil dieser tiefer eingeatmet wird.

Mit der Kombination von Tabak- und exzessivem Alkoholkonsum vervielfachen Sie also das Risiko, an Krebs zu erkranken.

Weiterführend :
Literatur
  1. K. Zürcher, I. Jacot Sadowski. (2014). Prévention du tabagisme chez les personnes alcoolo dépendantes. Document destiné aux professionnels d’alcoologie. Cipret Vaud. Ligues de la Santé. Unisanté.
  2. Funk, D., Marinelli, P.W., & Lê, A. D. (2007). Biological processes underlying co-use of alcohol and nicotine: Neuronal mechanisms, cross-tolerance, and genetic factors, Alcohol Research & Health, 29(3), 186–190.
  3. JR Hughes (1993).Treatment of smoking cessation in smokers with past alcohol/drug problems– Journal of substance abuse treatment.
  4. Anantharama, D., Marron, M., Lagiou. P., and al. (2011) Population attributable risk of tobacco and alcohol for upper aerodigestive tract cancer. Oral Oncol. Aug;47:725-31
  5. Ghantous, Y., Schussel, J. L., & Brait, M. (2018). Tobacco and alcohol-induced epigenetic changes in oral carcinomaCurrent opinion in oncology30(3), 152–158.
  6. Ronksley, P. E, Brien, S. E., Turner, B. J., Mukamal, K. J., & Ghali, W. A. (2011). Association of alcohol consumption with selected cardiovascular disease outcomes: a systematic review and meta-analysis, British Medical Journal, 22, 342.
  7. Tyndale, R. F. (2003). Genetics of alcohol and tobacco use in humans, Annals of Medicine, 35, 94–121.
  8. Friedman GD, Tekawa I, Klatsky AL, Sidney S, Armstrong MA. Alcohol drinking and cigarette smoking: an exploration of the association in middle-aged men and women. Drug Alcohol Depend. 1991 May;27(3):283-90.
  9. Marmet, S., Rehm, J., Gmel, G., Frick, H., & Gmel, G. (2014). Alcohol-attributable mortality in Switzerland in 2011 – Age-specific causes of death and impact of heavy versus non-heavy drinking. Swiss Medical Weekly, 144, w13947. DOI 10.4414/smw.2014.13947
  10. Funk, D., Marinelli, P.W., & Lê, A. D. (2007). Biological processes underlying co-use of alcohol and nicotine: Neuronal mechanisms, cross-tolerance, and genetic factors, Alcohol Research & Health, 29(3), 186–190.
  11. Grucza, R. A., & Beirut, L. J. (2007). Co-occurring risk factors for alcohol dependence and habitual smoking: Update on findings from the Collaborative Study on the Genetics of Alcoholism, Alcohol Research & Health, 29(3),172–177
  12. MascresC, Ming-Wen F, Joly J.-G. 1984. Morphologic changes of the esophageal mucosa in the rat after chronic alcohol ingestion. Exp Pathol 25 : 147-53
  13. HomannN, Tillonen J, Meurman JH, Rintamaki H, Lindqvist C, et al. 2000. Increased salivary acetaldehyde levels in heavy drinkers and smokers : a microbiological approach to o oral cavity cancer. Carcinogenesis 21 : 663-8
  14. HowieNM, Trigkas TK, Cruchley AT, Wertz PW, Squier CA, Williams DM. 2001. Short-term exposure to alcohol increases the permeability of human oral mucosa. Oral Dis 7 : 349-54Hashibe M, Brennan P, Benhamou S, Castellsague X, Chen C, Curado MP, Dal Maso L, Daudt AW, Fabianova E, Fernandez L, Wünsch-Filho V, Franceschi S, Hayes RB, Herrero R, Koifman S, La Vecchia C, Lazarus P, Levi F, Mates D, Matos E, Menezes A, Muscat J, Eluf-Neto J, Olshan AF, Rudnai P, Schwartz SM, Smith E, Sturgis EM, Szeszenia-Dabrowska N, Talamini R, Wei Q, Winn DM, Zaridze D, Zatonski W, Zhang ZF, Berthiller J, Boffetta P. Alcohol drinking in never users of tobacco, cigarette smoking in never drinkers, and the risk of head and neck cancer: pooled analysis in the International Head and Neck Cancer Epidemiology Consortium. J Natl Cancer Inst. 2007 May 16;99(10):777-89.
  15. Lowenfels AB, Maisonneuve P, Cavallini G, Ammann RW, Lankisch PG, Andersen JR, et al., International Pancreatitis Study Group. Prognosis of chronic pancreatitis: an international multicenter study. Am J Gastroenterol 1994;89(9):1467–71.
  16. Blot WJ, McLaughlin JK, Winn DM, Austin DF, Greenberg RS, Preston-Martin S, et al. Smoking and drinking in relation to oral and pharyngeal cancer. Cancer Res 1988;48(11):3282–7.
  17. Mah Russell. Cigarette smoking: natural history of a dependence disorder– British Journal of Medical Psychology, 2011 – Wiley Online Library

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